Heute ist der 13. September 2015 und das ist Russland letzte Woche sozusagen im Telegrammstil. Der Autor beobachtete die Massenproteste in Chisinau in den letzten Tagen aus der Nähe – sehr angenehmes Dörflein übrigens, dieses Chisinau – und hat eigentlich keine Ahnung, was in diesem Russland los war. Wie immer gibt es Vermutungen. Zu den verrückten Regionalwahlen, die heute stattfinden… Nun, wir sind ja kein Liveblog. Nächste Woche dann richtig.
In dieser Ausgabe:
- Russland führt bei Berufsverboten für Frauen
- Ziegelsteine in der Lohntüte, oder zurück in die wilden 1990er
- Medaille für Schwulenhass – Witali Milonow ausgezeichnet
Wer kennt sie nicht, wer liebt sie nicht, die starke russische Frau! Glaubt man dem Dichter, stoppt sie Hengste im vollen Lauf und betritt furchtlos brennende Hütten. Aber darf sie das? So rein arbeitsrechtlich? Eher nicht, weil es in Russland laut Weltbank (PDF) weltweit die meisten Berufsverbote für Frauen gibt. Nämlich 456, mehr als in Kasachstan (299) und Belarus (182). Die russische Frau ist beispielsweise von der Quelle des russischen Reichtums abgeschnitten: Sie darf nicht auf Bohrtürmen arbeiten. Sie darf nicht Bulldozer fahren oder schreinern. Die Atomindustrie ist auch tabu, also keine fürstlichen RosEnergoAtom-Gehälter für dich, Weib, und auch keine Frührente. Frauen im Atomkraftwerk? Die russische Machokultur hätte das wohl auch kaum verkraftet. In Deutschland gibt es solche Einschränkungen nicht, jedenfalls rein rechtlich.
Ein kleiner Gruß aus den Jelzin-Jahren, meint man: Eine insolvente Ziegelsteinfabrik zahlte ausstehende Löhne mit dem, was blieb, also mit Ziegelsteinen. Im Jahr 2015. In den Krisenjahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war es fast übliche Praxis, Fabrikarbeiter mit der hergestellten Ware zu entlohnen: Klopapier, Zement, Brennstäbe aus Uranoxid… Okay, die vielleicht nicht gerade, bürgen würde ich dafür aber nicht. Nun, zurück zu den Ziegelsteinen. Naturalienwirtschaft! Tauschhandel! Die 1990er sind zurück! Das übliche Geschrei. Aber die 1990er, sie waren nie weg, Freunde. Das russische Arbeitsrecht hat jedenfalls gegen gegen teilweise Entlohnung in Naturalien nichts einzuwenden, und draußen im Lande wurde sie auch praktiziert, selbst vor der Sanktionskrise. Ziegelsteine gegen Milch, Käse gegen Autoreparatur, und so weiter. All das fügt sich natürlich in das informelle Wirtschaftssystem ein, das in weiten Teilen Russlands jenseits der Großstädte herrscht… Aber das ist eine andere Geschichte.
Mehr Hölle, Freunde, wie die Russen zu sagen pflegen! Bólsche áda! Mehr Hölle geht nicht in St. Petersburg: Wladimir Putin hat den prominenten Schwulenfresser Witali Milonow ausgezeichnet. Milonow, “Einiges Russland”-Abgeordneter in der Petersburger Duma und Vordenker der Gesetze gegen “schwule Propaganda”, darf ab sofort die Medaille des “Ordens für das Vaterland” zweiter Klasse tragen. Für seine “aktive legislative Tätigkeit”. Wirklich, das soll schon die Hölle sein? Kaum, ich will mal beschwichtigen: Statusmäßig liegt die Auszeichnung weit unterhalb des eigentlichen “Verdienstordens” und darf bei weiterhin guten Taten in einen “Verdienstorden” vierter Klasse umgewandelt werden. Die Dinger kriegt man als Politiker nachgeschmissen, die Liste der Ausgezeichneten ist ziemlich lang. Wenn Sie also “Milonow mit Orden ausgezeichnet” lesen… Bei RLW stand’s nicht.
Danke für die Aufmerksamkeit!
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Bis nächste Woche!
Pavel Lokshin